D e r Ö f f e n t l i c h k e i t – v o n d e n F r e u n d e n H a u s d e r K u n s t
DER ÖFFENTLICHKEIT — VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST war eine Serie von Auftragsarbeiten, die speziell für die Mittelhalle im Haus der Kunst entwickelt wurde, mit Unterstützung von und in Zusammenarbeit mit den FREUNDEN HAUS DER KUNST. Die erste Auftragsarbeit wurde von der koreanischen Künstlerin Haegue Yang entwickelt und dem Publikum am 07. November 2012 vorgestellt. Es folgte 2013/14 Manfred Pernice mit der Installation „Tutti IV“, 2014/15 Anri Sala mit der Sound- und Videoinstallation „The Present Moment“, 2015/16 Laure Prouvost mit „We would be floating away from the dirty past“, 2017/2018 Sarah Sze mit „Centrifuge“, 2018/2019 Theaster Gates mit „Black Chapel“ and the last installation 2020/2021 was conceived by Kapwani Kiwanga, namend „Plot“.
DER ÖFFENTLICHKEIT — VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST gründete auf der Überzeugung, dass Kunst und Künstler eine zentrale Rolle in globalen Debatten spielen. Sie wand sich damit an internationale Künstler, die im Laufe ihrer Karriere künstlerische Exzellenz, konzeptuelle Strenge und experimentellen Geist bewiesen haben, und deren Ideen nachhaltigen Einfluss auf die zeitgenössische Kunst und ihre Diskurse ausüben. Die Auftragsarbeiten wurden eigens für die Mittelhalle des Haus der Kunst entwickelt, die bis 1945 „Ehrenhalle“ hieß. Der 800 qm große zentrale Raum fungiert wie eine frei zugängliche öffentliche Plaza und ist ein Verbindungspunkt, an dem heute die unterschiedlichen Programmangebote des Hauses zusammenlaufen. Hier treffen sich die Besucher, lesen, verweilen. Es war der geeignete Ort, um über den öffentlichen Raum nachzudenken.
Der Titel DER ÖFFENTLICHKEIT — VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST umschloss philosophische, konzeptuelle und historische Leitgedanken, die der Präsentation der in Auftrag gegebenen Kunstwerke Struktur verliehen: Die Serie wollte Diskussionen anstoßen über die Normen und Ziele öffentlichen Engagements, was auch im Untertitel VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST zum Ausdruck kam. Über die Idee des Engagements hinaus bot die Serie eine Perspektive für öffentliches Handeln, bei der das Kunstwerk im Mittelpunkt steht und Partizipation, Diskussion, Debatte und Austausch sich gegenseitig befördern. Ein weiterer Schlüsselaspekt der jährlichen Auftragsarbeit war, die Auffassung von Engagement auszuweiten auf die wesentlichen Bestandteile von Öffentlichkeit allgemein. In seinem Buch über den öffentlichen Raum „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, nennt der Philosoph Jürgen Habermas Veranstaltungen öffentlich, „wenn sie, im Gegensatz zu geschlossenen Gesellschaften, allen zugänglich sind“. „Allen zugänglich“ ist dabei nicht mit dem wiederauflebenden Populismus in Politik und Kultur zu verwechseln. Vielmehr forderte „Der Öffentlichkeit“ zu erkenntnistheoretischem Zweifel auf. Statt die Normen des Öffentlich-Seins als vollendete Tatsache zu betrachten, hat jede der Auftragsarbeiten die Besucher dazu aufgefordert, neu zu erkunden und zu analysieren, was Handeln im öffentlichen Raum bedeutet und wie sich der Begriff des Öffentlichen mit dem Museumsraum verbindet.
DIE FREUNDE HAUS DER KUNST fördern das Haus der Kunst seit über 60 Jahren und unterstützten die Serie nicht nur ideell, sondern finanzierten diese zusätzlich zu ihrem festen jährlichen Beitrag.
Die siebte Ausgabe der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST widmete das Haus der Kunst der französisch-kanadischen Künstlerin Kapwani Kiwanga (* 1978 in Hamilton, Kanada; lebt und arbeitet in Paris). Kiwangas Praxis zeichnet die durchdringenden Auswirkungen von Machtasymmetrien nach, indem sie historische Narrative in einen Dialog mit zeitgenössischen Realitäten, dem Archiv und den Möglichkeiten von morgen stellt.
Für die sechste Ausgabe der Serie „Der Öffentlichkeit“ hat Theaster Gates die raumgreifende Installation „Black Chapel“ entwickelt. Das vielteilige Werk reagiert auf die repräsentative Architektur der 800 Quadratmeter großen Mittelhalle des Haus der Kunst, indem es ihr ein komplexes, politisch wie spirituell aufgeladenes Narrativ entgegensetzt: zwei große Pavillons sowie Vitrinen beherbergen eine Vielzahl an Skulpturen, Fotografien und Dokumenten. Darüber hinaus zeigen riesige, rotierende Leuchttafeln Fotografien aus den Archiven der ikonischen Johnson Publishing Company. Erstmalig wurde dieses Bildmaterial in den Magazinen „Ebony“ und „Jet“ veröffentlicht – zwei Publikationen mit Kultstatus, die maßgeblich zur Verbreitung Schwarzer Kultur in den Vereinigten Staaten beitrugen. Das Zusammenspiel von Skulptur und Fotografie eröffnet einen Raum, der Fragen zu Schwarzer Geschichte, Spiritualität und Repräsentation thematisiert und visuell neu formuliert.
Für die fünfte Ausgabe der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST schafft die amerikanische Künstlerin Sarah Sze die ortsspezifische Installation „Centrifuge“, die die Art und Weise, wie Besucher die Mittelhalle (früher Ehrenhalle) des Museums wahrnehmen und erleben, radikal verändern wird. Szes vielfältige künstlerische Arbeit umkreist eine Reihe von analytischen und räumlichen Anliegen: Neu hergestellte und fertig gekaufte Objekte werden sorgfältig zu skulpturalen Gruppen organisiert, die etablierte perzeptuelle und kognitive Kategorien durchkreuzen. Szes filigrane Konstellationen von Objekten, Bildern und Skizzen sträuben sich bewusst gegen eine definitive Interpretation.
Für die vierte Ausgabe der Serie DER ÖFFENTLICHKEIT – VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST konnte die französische Künstlerin Laure Prouvost (geb. *1978 Croix) gewonnen werden. Die Turner Prize Trägerin des Jahres 2013 lebt und arbeitet in London. Für die Mittelhalle hat Laure Prouvost eine Installation mit dem Titel „We would be floating away from the dirty past“ produziert, die skulpturale und filmische Elemente sowie eine vielschichtige Raumintervention umfasst. Einfallsreich und mit unnachahmlichem Humor bezieht sich Prouvost in dieser Arbeit sowohl auf die Architektur der Mittelhalle als auch auf das Haus der Kunst als Institution.
Für die dritte Ausgabe von DER ÖFFENTLICHKEIT – VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST hat Anri Sala (geb. 1974 in Tirana, Albanien) eine mehrkanalige Sound- und Videoinstallation vorgeschlagen. Mit diesem Projekt vertieft er seine Erkundungen der Wechselwirkung zwischen Architektur und Sound. Die Mittelhalle im Haus der Kunst, wo die Installation gezeigt wird, ist etwa 800 Quadratmeter groß. Boden und Türrahmen bestehen aus rotem Marmor, die Decke ist fast zwölf Meter hoch. In produktivem Kontrast hat Sala für diesen gewaltigen Raum ein intimes Format gewählt: Ausgangspunkt der Installation ist das spätromantische kammermusikalische Werk „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg in seiner ursprünglichen Fassung für Streichsextett (Op. 4, komponiert 1899).
Für die zentrale Mittelhalle entwickelt Manfred Pernice eine ortsspezifische, begehbare Installation aus verschiedenen, zum Teil „recycelten“ Einzelarbeiten. Recycling, die Wiederverwertung von Materialien, ist untrennbar mit dem Schaffensprozess Manfred Pernices verbunden. Dabei geht es Pernice nicht nur um die Verwendung vorgefundener Stoffe und Gegenstände unterschiedlicher Herkunft. Bemerkenswerter ist, dass er seine eigenen, älteren Werke als Versatzstücke für neu konzipierte Arbeiten nutzt oder in veränderten Bedeutungszusammenhängen neu inszeniert. Die von Pernice geplante Intervention für die zentrale Mittelhalle bezieht sich unmittelbar auf deren Architektur und besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen: In der Mitte des Raums platziert Pernice die architektonische Skulptur „Tutti“ aus dem Jahr 2010. Eine Wendeltreppe führt auf das Dach der Skulptur. Von dort aus erreicht der Besucher über eine zweite Treppe eine Brücke, welche die Mittelhalle überspannt und dem Betrachter immer neue Perspektiven auf den Raum bietet. Für die Brücke wird der Künstler eine Bespielung entwickeln, die sich als Ergebnis des Arbeitsprozesses erst vor Ort ergeben wird.
Haegue Yang ist die erste Künstlerin, die im Rahmen der Auftragsarbeit DER ÖFFENTLICHKEIT – VON DEN FREUNDEN HAUS DER KUNST beauftragt wurde, die Mittelhalle des Haus der Kunst zu bespielen. Haegue Yang übersetzt diese Themen in eine räumliche Erfahrung und führt die Abstraktion in die Erzählung ein: Der Betrachter erkundet bei seinem Rundgang durch die Installation, wie sich Raum, Maße, Gewicht und Volumen zueinander verhalten, wo Kraft und Kontrolle manifest sind, wo sie schwächer werden und sogar verloren gehen, wo sie neu entstehen und im Wiederaufbau sind. Der Titel der Installation, der selbst viel Raum einnimmt, bildet die Entsprechung zu den vielen Schichten an Jalousien, die den freien Blick in den Raum mitunter verstellen. Gleichzeitig klingt in diesem Titel an, dass die Inspirationsquellen von Haegue Yang mit der literarischen Verarbeitung von Migration und Diaspora zu tun haben.